Articles | Volume 73, issue 1
https://doi.org/10.5194/gh-73-79-2018
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26 Feb 2018
Standard article |  | 26 Feb 2018

Die Verschränkung von Umwelt und Wohnwelt – Grüne smart homes aus der Perspektive der pluralen Sphärologie

Andreas Folkers and Nadine Marquardt
Kurzfassung

This paper links two strands of Peter Sloterdijk's sphere project – his theory of the environment and his theory of dwelling – and mobilizes them for an analysis of entanglements between spaces of the environment and the space of the home in contemporary sustainability policies and smart home experiments. First, we retrace how Sloterdijk's topology of the environment combines a historical phenomenological methodology with ecological thinking. In the next step, we discuss Sloterdijk's theory of dwelling, which is closely linked to his thinking of the environment and is central to his conception of a plural spherology, yet has so far largely been overlooked in the reception. Sloterdijk's emphasis on the importance of dwelling in the „world's inner space“ („Weltinnenraum“) under conditions of a no longer externalizable environment helps to theorize how humans dwell on this earth in the 21st century. In the third part of the paper, we bring together both themes – environment and dwelling – to analyze contemporary ecological and digital home experiments from the perspective of a plural spherology. By showing how recent digital experiments in „smart homes“ entangle spaces of dwelling with environmental concerns we build on Sloterdijk's analysis but also extend it with insights from STS and governmentality studies to better capture the power effects inherent to digitalized dwelling.

Dates
1 Einleitung

Peter Sloterdijk, der Denker von Raum und Räumlichkeit, ist seinerseits nicht leicht zu verorten. Das liegt nicht nur an seinem rhapsodischen Werk und der Vielzahl von Themen und Theorien, mit denen er sich schon beschäftigt hat. Vielmehr sorgt auch die Grenzstellung Sloterdijks zwischen Philosoph, „Denker auf der Bühne“ und Kommentator tagesaktueller Themen immer wieder für Friktionen und Widersprüchlichkeiten. Mit seinen peinlichen Einlassungen zu Flucht und Migration, die in einem „Lob der Grenze“ (Sloterdijk, 2016a:21) gipfelten, hat der „öffentliche Intellektuelle“ Sloterdijk den selbsternannten philosophischen „Theoretiker der Globalisierung“ Sloterdijk (2005a) düpiert. Hatte letzterer noch in seinem jüngst veröffentlichten Essayband Was geschah im 20. Jahrhundert? bemerkt, dass wir „in ein Weltalter [eintreten], in dem schwache Grenzen und durchlässige Außenhäute das prägende Merkmal von sozialen Systemen werden“ (Sloterdijk, 2016b:90), kommt das Schwadronieren des öffentlichen Intellektuellen Sloterdijk vom „territorialen Imperativ“ (Sloterdijk, 2016a:23) geradezu einer senilen Landflucht gleich. Mit derartigen politischen und intellektuellen Widersprüchen sieht sich gleichwohl nicht nur Sloterdijk selbst konfrontiert, sondern auch, wer an Sloterdijks Denken, wie auch immer affirmativ oder kritisch, anschließen möchte. So berechtigt das öffentliche Sloterdijk-Bashing ist (Brumlik, 2016; Honneth, 2009; Menke, 2009; Münkler, 2016), es droht doch stets die produktiven Impulse zu übersehen, die von seinen Arbeiten ausgehen. So ist es kein Zufall, dass eine ernsthafte und produktive Auseinandersetzung mit Sloterdijk bisher vor allem im Ausland erfolgt ist (Borch, 2008, 2010; Skrydstrup, 2016; Klauser, 2010; Elden und Mendieta, 2009), das nicht in der gleichen Weise von den öffentlichen Einlassungen Sloterdijks behelligt wird, während es im deutschsprachigen Kontext umso schwieriger ist, Widersprüche und Grenzen in Sloterdijks Denken oder Friktionen zwischen öffentlicher und philosophischer Person etc. aufzuzeigen. Wir möchten in diesem Text deshalb einen anderen Weg gehen. Wir möchten an zwei interessante Stränge in Sloterdijks Sphärologie – seine Theorie des Wohnens und sein Denken der Umwelt – anschließen und für eine Analyse von Gegenwartsphänomenen – Experimente mit grünen smart homes – mobilisieren. Eine Kritik an Sloterdijk wird dadurch das Ergebnis und nicht der Ausgangspunkt unserer Untersuchung sein und erfolgt gleichermaßen negativ – als Nachweis von Defiziten in Sloterdijks Theorie – wie auch positiv als Versuch, mit Sloterdijk über Sloterdijk hinauszugehen und seine Theorien mit anderen Ansätzen so zu ergänzen, dass sie für eine kritische Analyse von Gegenwartsphänomenen nutzbar werden.

Sloterdijk eröffnet ein attraktives Denken von Weltlichkeit jenseits einer Reifizierung von Umwelt als Natur bzw. als fixes Set von stofflich-substanziellen Gegebenheiten in den Naturwissenschaften, aber auch jenseits des kulturalistischen Weltdenkens der Sozial- und Kulturwissenschaften. Vielmehr finden sich bei ihm Überlegungen für eine historisch-phänomenologische Theorie der Umwelt. Dabei interessiert ihn anders als die Umweltgeschichtsschreibung (Cronon, 2009) nicht vornehmlich die menschliche Bearbeitung der natürlichen Gegenbenheiten, die in der Produktion einer zweiten Natur gipfelt. Vielmehr zielt seine Betrachtung auf das historische Hervortreten der Umwelt aus dem kulturellen Hintergrund in den Vordergrund sozio-technischer Verfahren und politischer Auseinandersetzungen. Ihn interessiert, wie das zeitgenössische Umweltbewusstsein ebenso wie die gegenwärtigen Praktiken zur Gestaltung von Umwelten historisch entstanden sind. Sloterdijks Denken der (Um)weltlichkeit konzentriert sich also auf die Frage, wie die Umwelt der Ökolog_innen und Umweltschützer_innen entstanden ist.

Bemerkenswert an Sloterdijks Sphärologie ist neben seinem Denken der Umwelt auch seine Aufmerksamkeit für den Lebensbereich des Wohnens. Ganz ähnlich wie Sloterdijks Theorie der Umwelt hat auch seine Theorie des Wohnens eine historisch-phänomenologische Prägung. Zum einen folgt sie der phänomenologischen Pramisse vom Menschen als Wohnwesen, dessen Weltbildungsbedürfnis sich wesentlich im und durch das Wohnen realisiert (Heidegger, 1954:141).1 Zum anderen hat Sloterdijks Betrachtung des Wohnens aber auch eine historische Dimension, insofern sie die Entwicklung moderner Wohnverhältnisse und das Eintreten von Fragen der Wohnraumgestaltung in die Praktiken der modernen Architektur diskutiert. Dieser historisch-phänomenologische Ansatz ist in zweierlei Hinsicht für sozialwissenschaftliche Perspektiven auf Wohnen fruchtbar: Zum einen kann mit Sloterdijk die existenzielle Bedeutung des Wohnens betont und damit ein Lebensbereich erschlossen werden, der seiner Zentralität zum Trotz bislang noch zu wenig Aufmerksamkeit in der Forschung erhält. Zum anderen liefert Sloterdijks Sphärologie eine Reihe interessanter Denkfiguren, die Gegenwartsdiagnosen gesellschaftlicher Wohnverhältnisse informieren können.

Wir greifen Sloterdijks Theorien der Umwelt und des Wohnens auf, weil wir der Überzeugung sind, dass sie mehr miteinander zu tun haben, als für gewöhnlich wahrgenommen wird. Noch nicht einmal Sloterdijk selbst hat eine explizite Verbindung zwischen diesen beiden Strängen seiner Sphärentheorie hergestellt und – wie wir zeigen werden – daher auch die ökologische Dimension des Wohnens in der Gegenwart nicht ausreichend thematisiert. Gleichwohl gibt es gute theoretische und zeitdiagnostische Gründe, die Frage des Wohnens und die der Umwelt aufeinander zu beziehen. So legt es Sloterdijks Denken der Weltlichkeit jenseits von Naturalismus und Kulturalismus ohnehin nahe, auf Hybridisierungsphänomene von Wohn- und Umwelten zu fokussieren. Zudem sind Sloterdijks Theorie des Wohnens und seine Theorie der Umwelt analog gebaut: jeweils geht es darum, die Explikation der Umgebung – ob natürliche Umwelt oder Wohnung – historisch nachzuvollziehen. Insofern gibt Sloterdijks Betonung des Lebens im „Weltinnenraum“ (Sloterdijk, 2005a), also unter Bedingungen einer nicht mehr externalisierbaren Umwelt, interessante Denkanstöße für eine Beschäftigung mit der Frage, auf welche Weise der Mensch im 21. Jahrhundert auf dieser Erde wohnt. Die ökologische Aufklärung der letzten Jahrzehnte hat schließlich nicht nur gezeigt, wie bedroht die Erde als Wohnstätte bzw. als „safe operating space for humanity“ (Rockström et al., 2009) ist, sondern auch das alltägliche Wohnen in Bezug auf diese planetarische Krise problematisiert. Dadurch ist die Wohnung zu einem zentralen Schauplatz ökologischer Modernisierungsexperimente geworden, die häufig mit digitalen Mitteln unterstützt werden. In „intelligenten“ Ökohäusern soll der ökologische Fußabdruck des Wohnens, also der Einfluss des Wohnens auf die Umwelt, sichtbar gemacht und dadurch reduziert werden. Das hat Folgen für die Frage nach den Maßstabsebenen alltäglichen Handelns und globaler Umweltpolitik. Das Wohnen kann nicht mehr einfach als vernachlässigbarer Mikrokontext betrachtet werden, der in eine globale Umwelt eingebettet ist. Schließlich wird der Großhorizont der Umwelt zunehmend mit technischen Mitteln in die Sphäre alltäglicher Wohnenroutinen eingebracht. Umgekehrt hängt die Integrität der planetarischen Wohnsphären und Lebenserhaltungssysteme auch von einer Veränderung der Stoffflüsse, Technologien und Alltagspraktiken des Wohnens ab. Sloterdijks Konzeption einer „pluralen Sphärologie“ kann wichtige Impulse liefern, um diese neue Multiskalarität des Wohnens und der Umweltpolitik zu denken.

Gleichwohl zeichnen sich mit Blick auf Experimente in grünen smart homes, die zum Energiesparen und zu nachhaltiger Lebensführung anregen sollen und dafür einen planetarischen Umwelthorizont in die Wohnung einbringen, auch deutlich die Grenzen von Sloterdijks Ansatz auf. So lassen sich mit Sloterdijk nur schwer die Machteffekte, die ökonomischen Implikationen und die konkreten sozio-technischen Verfahren verstehen, die in grünen smart homes zum Zuge kommen. Daher plädieren wir dafür, die produktiven Impulse von Sloterdijks Theorie aufzunehmen und sie zugleich mit anderen durchaus anschlussfähigen Ansätzen aus der Akteur-Netzwerk-Theorie (ANT) und den governmentality studies sowie mit Blick auf jüngere Debatten um eine neue Kosmopolitik zu erweitern. Es geht uns dabei weniger um einen allgemeinen Theorievergleich, eine einfache „Übersetzung“ von Sloterdijks Theorie in sozialwissenschaftliche Begrifflichkeiten oder andere Formen des Theoretisierens um der Theorie willen. Vielmehr wollen wir durch unseren Bezug auf einen konkreten Fall zeigen, welche Perspektiven ein Bezug auf Sloterdijk eröffnen kann und welche Herausforderungen sich für ein Weiterdenken von Sloterdijks Theorie stellen.

Im Folgenden werden wir zunächst auf Sloterdijks Umweltkonzept eingehen. Umwelt ist für Sloterdijk nicht einfach „da draußen“, sondern existiert immer erst in Bezug auf ein „Drinnen“, in das sie gleichsam hineinragt (Kap. 2). Im nächsten Schritt diskutieren wir Sloterdijks Theorie des Wohnens, die für seine Konzeption der pluralen Sphärologie zentral ist, in der bisherigen Rezeption aber zumeist übersehen wurde (Kap. 3). Im dritten Teil des Textes werden wir über Sloterdijks Theorie hinausgehend beide Bereiche – Umwelt und Wohnen – zusammenführen. Wir analysieren ökologische und digitale Wohnexperimente, in denen sich Wohn- und Umwelt verschränken aus der Perspektive der pluralen Sphärologie (Kap. 4).

2 Topologie der Umwelt

Während der Begriff der Natur vor allem den Fehlschluss nährt, die Natur als etwas „da draußen“ zu betrachten, das unabhängig von den Apparaturen des Wahrnehmens und den Infrastrukturen sozialer Existenzweisen besteht, nährt der Begriff der Umwelt bisweilen den Fehlschluss, dass diese nur relativ zu menschlichen Vorstellungen existiere. Im Folgenden möchten wir zeigen, dass Sloterdijks Konzept der Umwelt diesen beiden Fehlschlüssen entgeht. Dabei werden wir fünf Operationen identifizieren, die Sloterdijks Umweltdenken charakterisieren: Explizierung, Immunisierung, Internalisierung, Technisierung und Pluralisierung.

2.1 Explizierung

Ein Lebewesen erschafft sich selbst und seine Umwelt durch Einfaltung bzw. Implikation, durch die es sich von seiner Umwelt abgrenzt. „Das erste Merkmal des Selbst ist die Fähigkeit, durch Opposition gegen Äußeres eine Position einzunehmen. Position entsteht, soweit wir sehen, durch Einfaltung in sich“ (Sloterdijk, 2004:54). Durch diese Einfaltung wird die Umwelt zunächst zum Hintergrundschauplatz für die Entfaltung des Selbst. Sloterdijks Analytik der Umwelt lässt sich als ein reverse engineering der ursprünglichen umweltschaffenden Faltoperation verstehen. Seine Phänomenologie der Umwelt ist nämlich eine Analytik der Explizierung – der Entfaltung des Eingefalteten: „Die Phänomenologie ist die erzählende Theorie vom Explizitwerden dessen, was anfangs nur implizit vorhanden sein kann. Implizit sein will hier sagen: im unentfalteten Zustand vorausgesetzt […]. Explizit werden hingegen bedeutet: mitgerissen sein von dem Strom, der vom Hintergrund zum Vordergrund […], von der Einfaltung in die Entfaltung fließt“ (Sloterdijk, 2004:74–76). Dieser „Strom“ des Explizitwerdens ist für Sloterdijk die Moderne als „Zeitalter der Hintergrundexplikation“ (Sloterdijk, 2004:69). Die Moderne zeichnet sich durch eine fortschreitende Auflösung von unhinterfragten Selbstverständlichkeiten, also durch die Explikation des Impliziten aus.

Aber was ist die Existenzweise des Impliziten vor dessen Explizierung? Hier bezieht sich Sloterdijk auf Latours (2001:297) Konzept der Proposition. Propositionen sind nicht wie in der klassischen Logik Aussagen, sondern Vorschläge, durch die sich das stumme Sein dem beredeten Denken anbietet. „Der Stoff des Seins wird von diesem selbst her gewissermaßen vorschlagsförmig präsentiert – man könnte sogar vorwurfsförmig sagen, sofern man den Ausdruck vom griechischen Verbum probállein: hinwerfen, vorwerfen, her versteht, aus dem das Nomen problema abgeleitet ist. In Problemen reden die Dinge zur Intelligenz“ (Sloterdijk, 2004:219f.). Weil das Gedachte einen aktiven Beitrag zum Prozess des Denkens leistet, lässt sich die Explikation auch nicht einfach als diskursive oder repräsentationale Konstruktion verstehen. Entsprechend stellt für Sloterdijk die Analyse der Explikation einen „dritte[n] Pfad“ (Sloterdijk, 2004:217) jenseits von Konstruktivismus und Realismus dar. Das Explizite ist gegenüber dem Impliziten weder Repräsentation noch Konstruktion, sondern eine Modifikation bzw. eine alternative „Artikulation“ (Latour, 2001:285f.).

Die explizierte „Umwelt“ tritt so aus dem Hintergrund in den Vordergrund. Der exemplarische Fall für ein solches Hervortreten ist für Sloterdijk das Auftauchen des Problems der Atmosphäre aus den Schrecken des Kriegs im Verlauf des 20. Jahrhunderts, als die Kriegsführung nicht mehr nur „auf den Körper eines Feindes, sondern auf dessen Umwelt“ (Sloterdijk, 2004:95) zielte und ihn dadurch mit dem „Entzug seiner Lebensvoraussetzungen“ (ebd.) bedrohte. Der erstmalige Einsatz von Giftgas im Ersten Weltkrieg durch die deutsche Wehrmacht stellt in dieser Hinsicht ein Urereignis dar, durch das „eine neue Explikationsebene für klimatische und atmosphärische Prämissen menschlicher Existenz“ (Sloterdijk, 2004:103) erreicht wurde. In dem Maße, in dem die Atemluft ihre normale, lebenserhaltende Funktion verlor und zum Übertragungsraum für tötende Giftgase wurde, konnte die Atmosphäre als lebensnotwendige Umwelt manifest werden. Ausgehend von den kriegerischen Atmosphärenmanipulationen entwickelte sich ein neues Wissen um die atmosphärische Umwelt, das zur Grundlage der in der Gegenwart immer wichtiger werdenden „atmospheric politics“ (Sloterdijk, 2005b) geworden ist. Dieses Muster des Explizitwerdens lässt sich im Verlauf des 20. und 21. Jahrhunderts immer wieder erkennen. So haben gerade die Atombombenabwürfe und Atomtests zu einer Erweiterung der Kenntnisse um klimatische und radiologische Umwelten beigetragen (Masco, 2010; Edwards, 2003). Wir wissen mittlerweile über eine beachtliche Zahl lebensermöglichender Umweltfaktoren Bescheid – von der Ozonschicht bis zum komplexen regulativen Wechselspiel von Atmosphäre und Biosphäre (Lovelock und Margulis, 1974) – und das nicht obwohl, sondern gerade weil die Selbstverständlichkeit, mit der die Umwelt unser Überleben sichert, so tiefgreifend kompromittiert wurde.

Indem Sloterdijk ein Modell anbietet, diese „Entdeckung“ der Umwelt als Explikation zuvor unhinterfragter Hintergrundvoraussetzungen zu deuten, schließt er an die Phänomenologie an, erweitert sie aber zugleich. Traditionellerweise ging es der Phänomenologie vor allem darum, die symbolisch-kulturelle Lebenswelt im Ausgang einer durch Wissenschaft und Technik hervorgerufenen Krisis bewusst zu machen; eine Lebenswelt, in der letztlich auch Wissenschaft und Technik fundiert sind (Husserl, 1982). Sloterdijk betont zwar auch, dass Wissenschaft und Technik zur Entstehung von Krisenphänomenen beitragen. Er zeigt aber vor allem, wie sie zudem nicht nur die symbolische, sondern auch die biologische Lebenswelt explizit machen und so ein ganz neues Verständnis davon etablieren, was es heißt, die „Erde zu bewohnen“. Zugleich zeigt er, dass die Explizitwerdung von bisher Selbstverständlichem im Ausgang von ökologischen Krisen- und Katastrophenphänomenen weniger die Grundbedingungen der menschlichen Existenz offenbart, sondern jeweils eher eine „historische Ontologie unserer selbst“ (Foucault, 2005:702) in Bezug auf unsere Umwelt hervortreten lässt. In der Genealogie der Umwelt geht es weniger darum, was „immer schon“ unser Leben ermöglicht hat, sondern vielmehr um das, was „nicht mehr“ selbstverständlich ist.

2.2 Immunisierung

Das Problematisch-Werden der Umwelt im Verlauf des 20. und 21. Jahrhunderts hat neue Sicherungsmaßnahmen notwendig gemacht, die Sloterdijk als Immunisierung bezeichnet. Er versteht Immunisierung als den Vorgang, durch den sich selbstorganisierende Einheiten sich „unter ständigem Bezug auf eine potentiell wie aktuell invasive und irritationsträchtige Umwelt erhalten und reproduzieren“ (Sloterdijk, 2009a:19f.). Immunisierung ist ein immer wieder von Sloterdijk herangezogenes Konzept, dessen Bedeutung seiner Meinung nach gar nicht hoch genug geschätzt werden kann. „Erst zögernd hat man begonnen zu verstehen, daß es die Immundispositive sind, durch welche die sogenannten Systeme erst eigentlich zu Systemen werden“ (Sloterdijk, 2009a:19).

In seiner Sphärentrilogie ist Immunisierung ein Grundbegriff, der sich durch alle drei Bände zieht, denn „Sphären [sind] immer auch morpho-immunologische Gebilde“ (Sloterdijk, 1998:46). Schon die das Selbst erzeugende Einfaltung ist eine Form der Immunisierung, die Sloterdijk vor allem im ersten Teil der Sphärentrilogie Blasen (1998) ausführlich beschreibt. Die Blase ist der Ort einer unmittelbaren Geborgenheit und Sicherheit in der Intimsphäre. Das Platzen dieser Geborgenheitsblasen wurde in der metaphysisch-imperialen Tradition, die wiederum in Band II der Sphärentrilogie Globen (1999) beschrieben wird, mit einer Immunisierung durch Integration in Größeres kompensiert: Teil der Stadt, des Volkes, des Kosmos, der Weltseele sein. „Das Postulat, im Größeren sei die letzte Sicherheit zu finden, und nur in ihm, stiftete die Affaire der Seele mit der Geometrie. Nichts anderes war das Ereignis, das Metaphysik hieß: daß die lokale Existenz sich in die absolute Kugel integriert – und der beseelte Punkt zur All-Sphäre anschwillt“ (Sloterdijk, 2004:16).

Aber wie kann Immunisierung unter „post-metaphysischen“ und ökologischen Bedingungen gedacht werden? Die Explikationsbewegung der Moderne versperrt offensichtlich den Weg der Einfaltung und Abkopplung von der Umwelt. Nicht nur ist jeder Einzelne von seiner Umwelt abhängig. Auch die Gesellschaft muss erkennen, dass sie erstens von der Umwelt abhängt und diese zweitens durch eigenes Handeln nicht nur ko-produziert, sondern vor allem auch ko-destruiert hat. Auch den meisten Ökologen ist bewusst, dass Umweltschutz weder als Schutz vor der Umwelt, noch als Schutz der Umwelt vor uns, sondern nur als „immunisierende Hereinnahme“ (Lorey, 2011) gelingen kann. Ebenso wie andere Theorien der Immunisierung (Esposito, 2004; Haraway, 2014) betont auch Sloterdijk die Ambivalenz der Immunisierung zwischen Abschließung und Öffnung. Sein Bild des Schaumes als „paradoxes Interieur“ erlaubt es ihm eine Immunisierung zu denken, die „ebensogut als Abschließung wie als Weltoffenheit beschrieben werden kann“ (Sloterdijk, 2004:57).

2.3 Interieurisierung

Aber wenn Immunisierung nicht länger entweder Abschottung oder Flucht ins Allumfassende bedeuten kann, sondern in einer Doppelbewegung aus Öffnung und Schließung besteht, darf die Umwelt nicht mehr als Außen betrachtet werden. Vielmehr muss die Umwelt internalisiert werden. Es ist diese Internalisierungsbewegung, die den kontemporären Umweltbezug kennzeichnet. Seit Beginn der Moderne war die Umwelt vor allem eine Externalität bzw. „eine Umgebung aus vernachlässigten Größen“ (Sloterdijk, 2016b:67). Im 20. Jahrhundert haben sich diese anfangs unbeachteten Umgebungen immer wieder durch das Auftauchen sogenannter nicht-intendierter Nebeneffekte bemerkbar gemacht. „Was wir die Umwelt nennen, ist zunächst nichts anderes als die vernachlässigte Größe in einem Experiment, die nachträglich zur Kenntnis genommen wird“ (Sloterdijk, 2016b:67). Die internalisierende Immunisierung ist insofern auch eine Reaktion auf die externalisierende Immunisierung, die noch glaubte, gerade durch Abschottung von der Umwelt Sicherheit erlangen zu können.

Der gegenwärtige ökologische Imperativ „Wo Externalisierung war, muss Internalisierung werden“ (Sloterdijk, 2016b:68) hat sowohl eine ethische als auch eine ontologische Bedeutung. In ethischer Hinsicht verweist er auf den Bedeutungsgewinn von Verantwortungsethik. Im „Zeitalter der Nebenfolgen“ (Beck, 1996) wird nämlich die modernistische Ethik der Tat zugunsten einer Ethik der Rückkopplung und Resonanz verabschiedet (Sloterdijk, 2005a:292–300). Indem das Handeln zunehmend für seine Nebenfolgen sensibilisiert wird, erweitert sich der moralische Bezugsraum. Jede_r ist jetzt auch für Handlungsfolgen responsibel, die traditionell als Externalitäten betrachtet wurden und deshalb nicht ins moralische Kalkül aufgenommen wurden. So entsteht eine „integrale Bilanz“ (Sloterdijk, 2016b:68) des Handelns. Ontologisch fundiert ist diese Ethik im Kollabs der strikten Trennung von Umwelt und Menschenwelt, von Natur und Kultur, von Innen und Außen. Naturbearbeitung kann nicht mehr einfach als moralneutralisiertes instrumentelles Handeln verstanden werden (Habermas, 1981). Vielleicht drückt das nichts so deutlich aus, wie die gegenwärtig so wichtig gewordene Rede vom Anthropozän als Erdzeitalter des Menschen. „Mit einem Mal sehen wir uns genötigt die widernatürlich scheinende Vorstellung zuzulassen, daß die terrestrische Sphäre im ganzen durch die menschliche Praxis in ein einziges großes Interieur verwandelt worden ist“ (Sloterdijk, 2016b:29).

2.4 Technisierung

Die Verwandlung der Umwelt in ein Interieur ist gleichbedeutend mit ihrer Technisierung, der Notwendigkeit der technischen Gestaltung einer nicht mehr ins Außen abschiebbaren Umwelt. Sloterdijk interpretiert den Zusammenhang von Umweltbewusstsein und Technisierung durch einen heterodoxen Bezug auf die phänomenologische Tradition, wenn er bemerkt: „Wo ‚Lebenswelt‘ war, muß Klimatechnik werden“ (Sloterdijk, 2004:69). Die technische Gestaltung der umweltlichen Überlebensbedingungen wird genau in dem Moment notwendig, in dem der krisenhafte, moderne Explikationsprozess der Umwelt ihre ursprünglich lebenserhaltende Selbstverständlichkeit genommen hat. Die Technik wird dadurch zum sekundären, artifiziellen Immunsystem, zur „Lebensweltprothese“ (Sloterdijk, 2004:332), die ab jetzt die Kontrolle über die Lebensbedingungen besorgt. Die kontemporäre menschliche Existenz auf der Erde wird dadurch zum „In-der-Welt-Sein 2“ (Sloterdijk, 2004:332). Die Technik ist damit für Sloterdijk nicht mehr das, was sie für die phänomenologische Tradition war: etwas, das die Lebenswelt versiegelt und uns vom Sein entfremdet (Heidegger, 2007), sondern das, was Leben in Umwelten überhaupt noch ermöglicht.

Aber die Technik ist nicht nur ein prothetisches Substitut der Umwelt, sondern in mindestens dreierlei Hinsicht das, was die Explikation der Umwelt überhaupt erst ermöglicht. Erstens, weil die nicht-intendierten Nebenfolgen der Technik häufig überhaupt erst zur Problematisierung der Umwelt genötigt haben. Zweitens, weil die unsichtbaren Umweltsphären in ihrer Komplexität nur durch den Einsatz von „Phänomenotechniken“ (Bachelard, 1974) bzw. erdumspannenden wissenschaftlichen Infrastrukturen (Edwards, 2010) sichtbar gemacht werden konnten. Drittens aber auch – und das ist Sloterdijks Einsatz – weil technische Umwelten historisch gesehen immer wieder als Laboratorien für die Erkenntnis der „natürlichen“ Umwelten gedient haben. So stellen laut Sloterdijk die ersten Gewächshäuser des 19. Jahrhunderts das architekturelle Apriori der Ausarbeitung des modernen Umweltbegriffs dar (Sloterdijk, 2005b).

Vor allem betont Sloterdijk, inspiriert von Buckminster Fullers Manifest zum Raumschiff Erde, die Bedeutung der Raumfahrt für die Explikation der planetarischen Umwelt (siehe auch Van Tuinen, 2009). Dadurch, dass Raumschiffe die lebenserhaltenden Funktionen der Umwelt erst herstellen mussten, stellen sie laut Sloterdijk „absolute Inseln“ dar, die sich nicht nur geographisch, sondern auch atmosphärisch von ihrer Umgebung abgrenzen und autark werden. Sie vollziehen dadurch eine „Umwelt-Umkehrung“: „Während in der natürlichen Situation die Umwelt das Umgebende und die Menschen die Umgebenen sind, tritt beim Bau der absoluten Inseln die Lage ein, daß die Menschen die Umgebung, in der sie sich später aufhalten werden, selber entwerfen und einrichten“ (Sloterdijk, 2004:331).

Die Raumfahrt ermöglicht es so erstmals, die Erde und ihre verschränkten Sphären als umweltliche Lebensbedingungen des Menschen wahrzunehmen. Nicht zufällig ist der Begriff der „life support systems“, der ursprünglich aus der Raumfahrt kommt, von der Erdsystemforschung übernommen worden (Young und Steffen, 2009). „Von hier aus fällt Licht auf die im alten Stil anthropozentrisch aufgefasste Natur: Sie läßt sich – von der Prothese her rückblickend – als ein vorgefundenes, spontan bevölkertes Lebenserhaltungssystem interpretieren, von dessen Funktionsweise seine Einwohner keine physikalisch angemessene Vorstellung entwickeln können, solange sie es ‚existentiell‘ bewohnen“ (Sloterdijk, 2004:322).

2.5 Pluralisierung

Das vielleicht wichtigste Merkmal des Sloterdijk'schen Umweltkonzepts ist dessen durch und durch „pluralistische Ontologie“ (Sloterdijk, 2004:63). Umwelt ist gerade nicht die gemeinsame Glocke, die alle Menschen, Tiere und Pflanzen umgibt. Umwelt gibt es immer nur im Plural, als Umwelten. Ja, laut Sloterdijk steht gerade das Aufkommen des Umweltbegriffs in der theoretischen Biologie am Beginn des 20. Jahrhunderts insbesondere bei Uexküll für ein Ende des Denkens in Ganzheiten. „Mit der Feststellung, daß Leben immer schon Leben in einer Umwelt ist – und somit auch gegen eine Umwelt und in Oppositionen zu vielen fremden Umwelten –, beginnt die fortwährende Krise des Holismus“ (Sloterdijk, 2004:193). Die Umwelt löst damit das vereinheitlichende Konzept der Erde als ganzheitliche, allumfassende holistische Kugel ab, die im Zeitalter der „terrestrischen Globalisierung“ (Sloterdijk, 1999:801–1004)2 ihre Blütezeit erlebte.3

An die Stelle des „Monogeismus, [der] Überzeugung von der Einzigkeit des Planeten“ (Sloterdijk, 2005a:16)4 tritt bei Sloterdijk das Denkbild des Schaumes. Der Schaum ist ein Geflecht von „ineinander verschachtelten simultanen Bühnen“ (Sloterdijk, 2004:24) des Lebendigen, dessen kleinste Einheit die Blase ist. Dabei ist die Blase aber keineswegs in sich abgeschlossen, sondern stabilisiert sich erst durch andere Blasen, mit denen zusammen sie den Schaum bildet. Die einzelnen Schaumeinheiten sind einerseits in sich abgeschlossen, weshalb Sloterdijk sie auch als „Monaden“ (Sloterdijk, 2004:24) bezeichnet. Zugleich sind sie mit den anderen Monaden verbunden.5 Erst der Bezug auf anderes – im Sinne des öffnend-schließenden Paradigmas der Immunisierung – ermöglicht die Stabilisierung und Abgrenzung einer Monade. Die Blasen sind nicht durch Grenzen voneinander abgeschottet, sondern bleiben durch Membranen in Verbindung bzw. sind „als Benutzer gemeinsamer Trennungsinstallationen (Wände, Türen, Korridore, Straßen, Zäune, Grenzanlagen, Durchreichen, Medien)“ (Sloterdijk, 2004:255) verkoppelt.

3 Topologie des Wohnens

Im gleichen Maße, in dem die Umwelt explizit geworden ist, ist auch das Wohnen explizit geworden und deshalb nicht länger der selbstverständliche, tragende Hintergrund von Lebensprozessen (Sloterdijk, 2004:504). Das „explizit gemachte“ Wohnen deutet für Sloterdijk auf eine veränderte Form der Erzeugung von Raum hin, die den menschlichen Aufenthalt in den Wohnmilieus der Gegenwart, mit ihren durch Klimaanlagen künstlich geschaffenen Atmosphären und umfassenden Infrastrukturanbindungen, sicherstellen soll.6 Sloterdijk identifiziert mehrere „Stufen“ der historischen Problematisierung von Wohnbehausungen, die in der Moderne schließlich in einer vollständigen „Umkehrung der Beziehung zwischen Vordergrund und Hintergrund hinsichtlich der menschlichen Beherbergungsverhältnisse“ (Sloterdijk, 2004:503) münden.7

3.1 Vom Warteraum zur Umzugsmaschine

Das Zeitfenster, das Sloterdijk mit seiner kursorischen Geschichte des Wohnens öffnet, reicht vom Beginn des „sedentären Weltalters“ (Sloterdijk, 2004:515) mit seinen agrarischen Wohnformen über die industrielle Revolution bis hin zu den technologisch hochgerüsteten „Wohnmaschinen“ (Le Corbusier) der Moderne. Dabei hieß Wohnen im agrarischen Kontext zunächst für lange Zeit vor allem: warten, „Nichtweggehenkönnen“ (Sloterdijk, 2004:509). Erst der Industriekapitalismus des 19. und 20. Jahrhunderts brachte Phänomene der Mobilität und Deterritorialisierung hervor, die das Wohnen in die Aufmerksamkeit rückten. Der weitreichende Prozess der „Entbettung“ (Polanyi, 1978), den die Industrialisierung auslöste, bewirkte auch eine Normalisierung der Erfahrung von Umzügen und Ortswechseln. Erst die Erfahrung des „Hier-und-anderswo-Seinkönnen[s]“ (Sloterdijk, 2004:509) macht das Wohnen explizit. Die moderne Architektur treibt diese Erfahrung auf die Spitze, indem sie „Wohnmaschinen“ entwickelt, die die Existenz des „mobilisierten Raumselbst“ (Sloterdijk, 2004:545) ermöglichen sollen und damit immer zugleich auch „Umzugsmaschinen“ (Sloterdijk, 2004:553) sind.8

3.2 Gewohnheitsmaschine und Nachrichtenempfänger

Durch diese Entwicklung wird rekursiv eine weitere primäre Funktion des Wohnens sichtbar: Wohnräume sind Redundanzgeneratoren und Habitusgeber (Sloterdijk, 2004:520), sie machen ihre Bewohner einerseits existenzfähig, indem sie Reizarmut herstellen und Gewohnheiten begünstigen, produzieren damit aber andererseits auch „den background für Sensibilisierungen“ und stellen die technischen Voraussetzungen dafür bereit, dass Informationen aus der Welt empfangen werden können (Sloterdijk, 2004:521). „Die Moderne hat das empfangsbereite Warten auf Zeichen in technische Apparate wie Rundfunkgeräte und Telephone projiziert, deren Existenz rückwirkend zu sagen erlaubt, was menschliche Häuser nach einer anderen Seite immer schon gewesen sind – nämlich Empfangsstationen für Botschaften aus dem Außergewöhnlichen“ (Sloterdijk, 2004:516). Aufgabe der modernen Wohnung ist es, aus dem Rauschen der Welt sinnvolle Informationen zu gewinnen. Das, was am Wohnen gemeinhin als lebensweltlicher Hintergrund wahrgenommen wird, entpuppt sich also bei genauerem Hinsehen als technisches Produkt (Sloterdijk, 2004:521), das den eigenen Wohnraum infrastrukturell mit der Welt in Beziehung setzt. Mit diesem Fokus auf die informationstechnische Vernetztheit des Wohnens macht Sloterdijk den Wohnraum als wichtigen Schauplatz technologischen Wandels und als Ort zahlreicher alltäglicher – und nur auf den ersten Blick banaler – sozio-technischer Interaktionen sichtbar. Der Wohnraum ist für ihn immer schon „ein Artifizium und keine Naturumgebung“ (Sloterdijk, 2004:530).9

3.3 Die Wohnung als einbettendes Milieu

Sloterdijk plädiert für eine „Analytik der einbettenden Situation“ (Sloterdijk, 2004:523), die den modernen Wohnraum nicht nur als Knotenpunkt in soziotechnischen Netzwerken wahrnimmt – denn Punkte kann man schließlich nicht bewohnen –, sondern diesen Knoten auch analytisch entfaltet, um das „In-Sein als Eingetaucht-Sein in ein Wohnmilieu“ (Sloterdijk, 2004:527) ans Licht zu bringen. Prozesse der Immersion „im selbstgewählten Mikromilieu“ (Sloterdijk, 2004:532) nehmen im technisierten und serialisierten Wohnen der Moderne eine neue Qualität an. Immer wieder betont Sloterdijk die Ähnlichkeit der modernen Wohnung mit dem Raumschiff. Bei beidem handelt es sich um „Vital-Kapseln“, die eine lebenserhaltende Umwelt im eigenen Inneren herstellen und damit versuchen, geographisch und atmosphärisch autark zu werden. Diese „Umwelt-Umkehrung“ verweist auf die Rolle des Wohnraums als Immunsystem: „Damit gewinnt die Wohnung Anteil am Kernprozess der Modernisierung: Sie artikuliert das Auftauchen – oder das Ausdrücklichwerden – der Immunsysteme sowie das Experimentieren der selbstbezüglichen Einheiten mit größeren Assoziationen“ (Sloterdijk, 2004:540).

3.4 Schaumgeborgen. Wohnen als Ko-Isolation

Im modernen Wohnraum materialisieren sich Weltoffenheit und -abwendung gleichermaßen. Die mehr oder weniger dünnen Wände zwischen den Wohnungen trennen und verbinden die Bewohner_innen voneinander bzw. miteinander. „Solche von beiden Seiten angeeigneten Wände sind die ursprünglichen Interfaces“ (Sloterdijk, 2004:56). Deswegen ist das moderne Wohnen auch das hervorgehobene Beispiel, an dem Sloterdijk seine Theorie des Schaums illustriert. Die Basiseinheit eines Schaums ist eine „Blase“ bzw. ein „von […] pluripolaren Resonanzen gespannte[r] […] Haushalt“ (Sloterdijk, 2004:55). Eine solche Blase ist kein vereinzeltes Individuum, sondern selbst schon plural. Die Agglomeration vieler Blasen bildet einen Schaum, in dem gleichzeitig die Offenheit und Geschlossenheit der Blasen bzw. Haushalte gewahrt bleibt. Die „vielfach-Ko-Isolation der Blasen-Haushalte in ihren multiplen Nachbarschaften [kann] ebensogut als Abschließung wie als Weltoffenheit beschrieben werden“ (Sloterdijk, 2004:56f.). Das moderne Wohnen offeriert eine neue Form der Schaumgeborgenheit jenseits von reiner Isolation einerseits und Aufgehen in der Gemeinschaft andererseits. Auch wenn der einzelne Haushalt bei Sloterdijk als Blase figuriert, ist das moderne Schaumwohnen kein Phänomen der Mikrosphärologie. Das gegenwärtige Zeitalter wird vielmehr unter dem Gesichtspunkt in den Blick genommen, „daß das ‚Leben‘ sich multifokal, multiperspektivisch und heterarchisch entfaltet“ (Sloterdijk, 2004:24). Sloterdijks neo-monadologisches Denken unterläuft damit die Unterscheidung von Mikro- und Makro.10 Mit seiner Aufmerksamkeit für gesellschaftliche Wohnverhältnisse und seiner gleichzeitigen Absage an eine Bestimmung des Wohnens als „Mikroebene“ des Sozialen ist Sloterdijk – wenngleich sicher nicht beabsichtigt – anschlussfähig an die feministische Betonung der Bedeutung des Wohnens und des Haushalts für gesellschaftliche Analysen (siehe u.a. Domosh, 1998; Blunt, 2005 und zuletzt Brickell, 2012). Während prominente Vertreter des scale-Denkens den Haushalt – und damit auch alle Fragen nach Lebensprozessen im Wohnraum – nach wie vor häufig als „no more than relatively stable background structures“ (Brenner, 2001:598) für gesellschaftliche Transformationen abqualifizieren, heben feministische Geograph_innen die „multiscalar embeddedness of constructions of the household scale“ (Marston und Smith, 2001:618) und den „pluralen“ Charakter dieser Konstruktion (ebd., siehe auch Massey, 2004; Gibson-Graham, 2002) hervor.

4 Die Verschränkung von Umwelt und Wohnwelt im smart eco-home

Der Mensch ist für die Bewohnung und Geschäftsführung der Erde im Ganzen verantwortlich geworden (Sloterdijk, 2016b:7).

Im Folgenden möchten wir das von Sloterdijk vorgeschlagene analytische Programm einer „pluralen Sphärologie“ und die damit einhergehende Absage an eine einfache Unterscheidung in Mikro- und Makrophänomene aufnehmen und an einem Fall erproben, in dem sich Wohnwelt und Umwelt aktuell verschränken. Es geht dabei um Experimente eines digitalisierten und „intelligenten“ Wohnens, von denen sich Entwickler_innen einen wesentlichen Beitrag zur Realisierung der Energiewende versprechen. Die Wohnung soll hier informatorisch mit der Umwelt – und zwar nicht nur mit der unmittelbaren Nachbarschaft, sondern letztlich mit der Ökosphäre als Ganzer – verschaltet werden, um es den Bewohner_innen zu ermöglichen, ihr Handeln in einem erweiterten Verantwortungshorizont zu reflektieren und ökologisch zu gestalten. Man kann darin eine Form multiskalarer Umweltpolitik erkennen, weil Umweltschutz nicht einfach „global“ bzw. als „Earth System Governance“ (Biermann, 2014), sondern durch die Kopplung von Intim- und Ökosphäre vonstattengeht. Der Abschied von einem Denken in Ganzheiten, den Sloterdijks „plurale Sphärologie“ einfordert, kann auch als Absage an die Steuerungsphantasien gelesen werden, die globale Umweltpolitik im Sinne einer Steuerung der kybernetischen Supermaschine „Raumschiff Erde“ (Buckminster Fuller) entwerfen. Gleichwohl gehen mit dieser Neuverteilung ökologischer Politik und Governance neue Probleme und Machtkonstellationen einher, für die Sloterdijks Ansatz weitgehend blind ist, weil er dazu neigt, Formen der Schaumorganisation als etwas per se Gutes zu betrachten. Im Anschluss an Überlegungen aus den governmentality studies und der ANT sowie Beiträge zur Debatte um eine neue „Kosmopolitik“ (Stengers, 2008; Latour, 2013; Haraway, 2016; Folkers und Marquardt, 2017) wollen wir daher einige Limitationen von Sloterdijks Denken aufzeigen und Vorschläge für eine Erweiterung der pluralen Sphärologie entwickeln.

4.1 Die ökologische Explikation des Wohnens mit digitalen Mitteln

Eine weitere Explikation, die Sloterdijk in seiner Auseinandersetzung mit dem modernen Wohnen andeutet, ist das „in Richtung auf Intelligenz explizierte Wohnen“ (Sloterdijk, 2004:562). Wie Sloterdijk betont, ist die Rede vom „intelligenten Haus“ mehr als nur eine „Reklamephrase“: „Intelligenz ist Navigationsfähigkeit in einem Chancenraum. Das in Richtung auf Intelligenz explizierte Wohnen macht aus der Wohnung eine Agentur: Standort und Schnittstelle für Agenten, handelnde künstliche Programme, die mit menschlichen Endverbrauchern interagieren“ (Sloterdijk, 2004:562). Es ist allerdings die Frage, ob man das smart home einfach als weitere Explikationsstufe des Wohnens begreift, oder ob nicht vielmehr die Digitalisierung als Mittel für alle möglichen Explikationen mobilisiert wird. Denn durch die Digitalisierung tritt weniger „Intelligenz“ als grundlegendes Charakteristikum des Wohnens in den Vordergrund. Vielmehr erlaubt es die digitale Verschaltung des Wohnraums, ganz unterschiedliche Facetten des Wohnens zu beleuchten und damit explizit zu machen.

Tatsächlich ist der „Chancenraum“ intelligenten Wohnens offen für unterschiedlichste Programmierungen und Explikationsprojekte. Die Verschaltung mit ökologischen Zielstellungen ist aktuell ein zentrales Betätigungsfeld von smart home-Experimenten (Marres, 2012). Durch die Verquickung mit ökologischen Problemzusammenhängen hat das smart home gewaltig an Bedeutung gewonnen und wird gegenwärtig vor allem im Zusammenhang mit der Umsetzung der Energiewende ins Spiel gebracht (siehe etwa WBGU, 2011:77). In vielerlei Hinsicht ist also nicht Intelligenz per se eine neue Explikationsstufe des Wohnens. Vielmehr ermöglicht das smart home eine ökologische Explikation des Wohnens mit digitalen Mitteln. Das grüne smart home expliziert den Wohnraum als zentralen Umschlagsplatz für Stoffwechselprozesse (Essen, Energie, Wasser, Abfall etc.), durch die der Mensch mit der Umwelt verbunden ist. Damit macht es sichtbar, messbar und alltäglich erfahrbar, worauf geographische Theorien des urbanen Metabolismus (Gandy, 2004; Kaika, 2004; Swyngedouw, 2006) bereits seit längerem hingewiesen haben: Die moderne Erfahrung der Wohnung als Intimsphäre wird überhaupt nur durch ihren Anschluss an eine Vielzahl von Strömen möglich, die das scheinbar Private durchqueren und mit der Öffentlichkeit verbinden. Das smart home offenbart damit aber nicht nur eine Facette des Wohnens, die dieses „immer schon“ bestimmt hat. Vielmehr soll die informatorische Vernetzung die Wohnung zu einem Schauplatz ökologischer Modernisierung machen, an dem durch materielle Designs und technisch unterstützte Alltagspraktiken der Stoffwechsel zwischen Wohnwelt und Umwelt sichtbar gemacht und verträglicher gestaltet werden soll. Das Zuhause zeigt sich als hybride Welt voller Interaktionen mit technischen Applikationen, die uns mit der Außenwelt vernetzen und gleichzeitig von ihr abgrenzen (Dodge und Kitchin, 2009; Morley, 2003).

Die von Sloterdijk identifizierte Funktion des Wohnraums als Empfänger von Informationen nimmt damit eine neue Qualität an, die der Selbstbezüglichkeit der Wohnenden eine weitere rekursive Schleife hinzufügt und gleichzeitig ihre Vernetzung mit der Außenwelt intensiviert. Eine Schlüsselrolle hierbei spielen interfaces – Bildschirme, Tastaturen, touchscreens – als Schnittstellen zwischen großtechnischen Systemen und ihren Nutzer_innen. Galten Sloterdijk die Wände zwischen Wohnungen als „ursprüngliche […] Interfaces“ (Sloterdijk, 2004:56), so lassen sich diese neuen Artefakte als erweiterte interfaces verstehen, weil sie eine Verbindung nicht nur mit der unmittelbaren Nachbarschaft, sondern auch mit weit Entferntem zulassen. Dadurch wird Wohnen in einem erweiterten Horizont erfahrbar. Lässt man sich vom smart meter den carbon footprint anzeigen, der durch den Energieverbrauch im eigenen Haushalt verursacht wird, bekommt man die Effekte lokalen Handelns auf atmosphärischer Ebene zurückgespiegelt. Der smart meter fungiert dann als „everyday device […] of carbon accounting“ (Marres, 2011). Indem der smart meter über die Verfügbarkeit von günstigem Strom im Netz informiert, wird die Wohnung als Element im großtechnischen System der Stromversorgung expliziert. Wird über wechselnde Strompreise informiert, wird der private Haushalt zudem zum Akteur auf dem Strommarkt. Die informatorische Verbindung erlaubt aber gleichzeitig auch eine räumliche Immunisierung von der Umwelt. Man kann auf der Ebene der Versorgungsinfrastruktur wirken, ohne sich in die Kontrollräume der Übertragungsnetzbetreiber zu begeben, auf dem Markt sein, ohne Rücken an Rücken mit Händlern um die Wette zu schreien, und einen Fußabdruck in der Atmosphäre hinterlassen, ohne von der Couch aufstehen zu müssen.

Der Rückgriff auf Sloterdijks plurale Sphärologie lässt hier also sichtbar werden, wie sich Wohn- und Umwelt verschränken, ohne dass letztere einfach erstere in sich enthalten würde wie eine russische Schachtelpuppe. Vielmehr wird der planetarische Horizont des Wohnens im Haushalt entfaltet, während umgekehrt dieser planetarische Horizont überhaupt erst dadurch entstehen kann, dass die in situ-Informationen von Haushalten und anderen lokalen Messstationen von Klimasimulationsmodellen zu einem globalen Weltbild synthetisiert werden (Edwards, 2010). Es entstehen hybride Wohn-Umweltschäume, in denen die globale, ja geradezu planetarische Signifikanz alltäglicher und lokaler Wohnvollzüge zur Geltung gebracht wird. Der ko-konstitutive Zusammenhang von Globalem und Lokalem ist in jüngerer Zeit immer wieder betont worden (Sassen, 1991; Knorr-Cetina und Bruegger, 2002; Ong und Collier, 2005; Tsing, 2005; Latour, 2007). Zumeist wurde dabei jedoch nur gezeigt, wie das Globale (etwa als Weltmarkt) durch lokale Praktiken (etwa durch digitalisierte Arbeitswelten in global cities) versammelt wird. Die Verschränkung von Wohn- und Umwelt im grünen smart home zeigt demgegenüber, wie sich das Planetarische (als lebenserhaltendes Ökosystem) in alltäglichen Wohnvollzügen einnisten kann.

4.2 „Ethics of response-ability“ oder kybernetische Moral?

Eine Schlüsselrolle für die sozio-technische Erweiterung des Wohnhorizonts spielen Monitoring-Techniken, die interaktive Möglichkeiten des self-sensing bereitstellen und die ökologischen Folgen des eigenen Alltagshandelns transparent machen sollen. Das 2016 verabschiedete Gesetz zur Digitalisierung der Energiewende etwa sieht als zentralen Baustein die sukzessive Ausstattung privater Haushalte mit smart metern vor, die transparent machen sollen, wann genau und wo im Haushalt wie viel Strom verbraucht wird. Intelligente Messsysteme erlauben ein permanentes und kleinteiliges Echtzeit-Feedback, das den Energieverbrauch situativ auf die Nutzung einzelner Geräte oder einzelne Handlungen (Geschirr spülen, Tee kochen, das Handy aufladen etc.) herunterbrechen kann und diese Handlungen so im Hinblick auf ihre Energiebilanz miteinander vergleichbar macht.

Als zentral für das Gelingen einer ökologischen Umstellung des Alltags gilt die Frage der genauen Gestaltung von Mensch-Maschine-Schnittstellen und der Informationen, die sie bereitstellen. Die smart meter beschränken sich bei der Informationsvermittlung nicht auf die Darstellung quantitativer Daten (etwa Kilowattstunden, Liter oder CO2-Werte). Eine zentrale Rolle spielen auch „Klimaanimationen“, die die möglichen Folgen des eigenen Alltagshandelns in Bilder übersetzen und als sogenannte nudges bzw. „Stupser“ in Richtung nachhaltiger Verhaltensmuster wirken sollen.11 Die Displays der smart meter zeigen zum Beispiel Eisbären auf Eisschollen, die mit zunehmendem Wasserverbrauch schmelzen, oder Pflanzen, die bei sparsamem Energieverbrauch wachsen, bei hohem Verbrauch aber eingehen.12 Die stark vereinfachten Darstellungen komplexer ökologischer Zusammenhänge vermitteln so auch normative Anrufungen und emotionale Reize, um zur Sorge um die Erderwärmung anzuregen. Viele Applikationen integrieren zudem sogenannte Gamification-Elemente, um „Erfolge“ des eigenen Verhaltens spürbar zu machen. Spielerische Wettbewerbskomponenten machen den eigenen Energieverbrauch zu einem score und vernetzen den Wohnraum mit Online-Plattformen, auf denen die eigenen Leistungen mit denen anderer verglichen werden, um die Motivation zu steigern.

Es gibt unterschiedliche Möglichkeiten diese Erweiterungen des Wohnhorizonts analytisch zu fassen. Noortje Marres versteht smart meter in ökologischen Wohnexperimenten als „engaging devices“ (Marres, 2012:60), die für die CO2-Bilanz des eigenen Alltagshandelns sensibilisieren und so auf Verhaltensänderungen hinwirken sollen. In diesem Sinne wären die digitalen Messgeräte vor allem ethische Technologien. Gemeinsam mit den an sie angeschlossenen technischen und wissenschaftlichen Infrastrukturen materialisieren sie im Haushalt eine Ethik der Verantwortlichkeit, die im Zeitalter der Internalisierung der Umwelt laut Sloterdijk zum Gebot geworden ist. Die Vernetzung der digitalen Medien im Haushalt und der „vast machine“ (Edwards, 2010) der Erdbeoachtungssysteme stellt etwas her, was man im Anschluss an Donna Haraway (2008:70–73) als „response-ability“ bezeichnen könnte. Haraway nutzt dieses Kunstwort, um zu betonen, dass Verantwortlichkeit auf der Fähigkeit beruht, einander zu antworten.13 Und tatsächlich werden die unterschiedlichen Akteure und Aktanten erst durch die intelligente Verkabelung des grünen smart homes in die Lage versetzt, aufeinander zu antworten und dadurch in ein ethisches Verhältnis einzutreten. Die prinzipielle, gewissermaßen ontologische Verwiesenheit der Teile des komplexen Erdsystems wird dadurch explizit gemacht. Die informatorische Rückkopplung wird zur Grundlage einer neuen post-humanen Ethik bzw. einer „kybernetischen Moral, welche die Effekte von Handlungen in Feedbackanordnungen an die Verursacher zurückführt“ (Opitz, 2016:261). Der sprichwörtliche innere moralische Kompass wird durch ein globales ethisches Positionierungssystem ersetzt. Das moralische Gesetz in mir und der bewölkte Himmel über mir werden verbunden und zum flachen ethischen Terrain ausgefaltet.

4.3 Die environmentality des smart eco-homes

Die Materialisierung der Verantwortung lässt sich aber auch als machtvolles Regierungsprojekt der „Responsibilisierung“ beschreiben, das kollektive Probleme wie den Klimawandel vor allem als Frage individuellen Verhaltens fasst, den Einzelnen in die Verantwortung nimmt und zum Zweck der Problemlösung die individuelle Lebensführung bis ins kleinste Detail zum Interventionsfeld macht. Vermeintlich „sanfte“ Rahmungen alltäglicher Handlungen durch nudges werden aus dieser Perspektive als Formen einer „vertieften Unterwerfung“ (Bröckling, 2017:175) gedeutet. „So sanft die Interventionen daherkommen, praktisch weitet die Politik der Nudges die Regierbarmachung der Menschen noch aus“ (ebd.:188f.) und treibt die Individualisierung der Verantwortung für gesellschaftliche Probleme immer weiter. Scheinbar „spielerische“ Elemente der sogenannten Gamification entpuppen sich aus dieser Perspektive als Instrumente zur Erzeugung permanenter Wettbewerbs- und Konkurrenzsituationen (Schrape, 2014; Woodcock und Johnson, 2017), mit deren Hilfe Selbstoptimierungsansprüche immer weiter in die Sphäre des Privaten hineinragen. Der Wohnraum scheint damit entgültig seinen Charakter als Rückzugs- und Entlastungsraum von gesellschaftlichen Zumutungen zu verlieren.14 Zur Analyse dieser Individualisierung der Verantwortung hat Sloterdijks plurale Sphärologie jedoch wenig beizutragen, weil sie sich nicht ausreichend mit den Machteffekten von Schaumorganisationen beschäftigt, sondern dazu neigt, das Auftauchen von Schaummorphologie als Befreiung von der imperalistisch-metaphysischen Kugelideologie zu beschreiben (Sloterdijk, 1999:582–592).

Um zu verstehen, welche gouvernementalen Skripte ins Design grüner smart homes eingelassen sind und welche Machteffekte von den „intelligenten“ Wohnumgebungen ausgehen, bietet sich daher ein Rückgriff auf post-foucault'sche Ansätze in der Geographie (Braun, 2014; Barry, 2001) und den governmentality studies (Rose, 1996) an. Gleichwohl gehen Macht, Regierung und Kontrolle im smart home aber auch über das hinaus, was die kritischen Analysen von Responsibilisierung und Subjektivierung der governmentality studies (Rose, 1999; Bröckling, 2007) bislang vermuten ließen, da diese Foucaults eigenen Ausführungen zum Regieren durch räumliche Milieus bislang zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt haben. Es geht im grünen smart home nämlich weniger um anrufend-unterwerfende Subjektivierung, sondern vielmehr um die Erzielung von Umwelteffekten auf der Ebene des Wohnraums. Nicht der Einzelne, sondern der „Blasen-Haushalt […]“ (Sloterdijk, 2004:56) ist das basale Element der intelligenten Wohnschaumtopologie. Das grüne smart home ist Schauplatz einer „environmentality that deals not with the production of environmental subjects, but rather with the specific spatial-material distribution and relationality of power through environments, technologies, and ways of life“ (Gabrys, 2014:30). Smart meter lernen ihre Nutzer_innen nicht einmalig in nachhaltigen Praktiken der Haushaltsführung an, sondern müssen zum dauerhaften Bestandteil alltäglicher Lebensvollzüge werden, um nachhaltiges Wohnen sicherzustellen. Erst durch die Wohnraumgestaltung und die technischen Interfaces, die Wohnwelt und Umwelt, Haushalt und Strommarkt permanent miteinander vernetzen, wird das smart home zu einer ökologischen „Gewöhnungsanlage“ (Sloterdijk, 2004:516). Ökologisches Handeln im smart home ist damit letzlich nicht das isolierte Vermögen einzelner Subjekte, sondern ein Umwelteffekt, insofern es ja erst aus den Interaktionen zwischen Nutzer_innen, technischen Geräten im Wohnraum und Infrastrukturen der Energienutzung resultiert.

4.4 „Oikosschäume“: Das smart home im smart market

Die smart meter können schließlich auch als „market devices“ (Callon et al., 2007) mobilisiert werden, die den Strommarkt in den Haushalt holen. Geht es nach den Vorstellungen des Bundeswirtschaftsministeriums sollen die intelligenten Stromzähler in Zukunft vor allem durch „Preissignale“ (BMWI, 2015) darüber informieren, wie teuer der Strom aktuell ist. Durch die Ausrichtung des Verbrauchsverhaltens an diesen Preissignalen soll der Ausgleich zwischen Stromangebot und Stromnachfrage sichergestellt werden. Das großtechnische Steuerungsproblem, das durch die Volatilität und Unberechenbarkeit der Einspeisung von Photovoltaik und Windkraft ins Stromnetz entstanden ist, soll also letztlich durch eine Kombination von informatorischen und marktbasierten Techniken adressiert werden. Smart grids und smart meter würden dann vor allem zur Etablierung eines „smart market“ (BNetzA, 2011) dienen. Wie in den Visionen des neoliberalen Vordenkers Friedrich Hayek (1945) wird Märkten hier die Fähigkeit zugesprochen, dezentrale Akteure ohne Zuhilfenahme einer steuernden Zentralinstanz zu koordinieren, insofern diese in der Lage sind, Informationen effizient zu prozessieren und als Preise transparent zu kommunizieren (Mirowski, 2009). Neu am smart market ist vor allem, dass das ökonomische Interface der Preisinformation über das technische interface der smart meter realisiert und optimiert werden soll (Folkers, 2017b:48–51). Erst die Unterstützung durch smart metering-Technologien ermöglicht die Entstehung von Marktbedingungen – in diesem Fall Informationen über Preisschwankungen und entsprechend Möglichkeiten darauf zu reagieren – auch auf der Seite der Stromkonsument_innen im Haushalt. In die scheinbar rein technischen Projekte des smart homes und des smart grids gehen deshalb nicht selten neoliberale Annahmen über die Tugenden von Märkten ein: Zum einen die Vorstellung, dass Märkte am Besten dazu in der Lage sind, einen Ausgleich zwischen Angebot und Nachfrage – in diesem Fall von Strom – herzustellen. Zum anderen die Annahme, dass Märkte effiziente Informationsinfrastrukturen sind und Marktteilnehmer_innen – in diesem Fall die „intelligenten“ Haushalte – die Sender und Empfänger von Informationen (Mirowski und Nik-Khah, 2017). Wenn smart home-Technologien aber nur noch als market devices in Betracht kommen, wird ihre prinzipielle Offenheit als Empfangs- und Sendegeräte für ganz unterschiedliche Arten von Informationen und Daten beschnitten. Sie taugen dann nur noch als Prozessoren von Preissignalen und damit nicht mehr als ethische Technologien, die eine Rückkopplung zwischen dem Alltagshandeln und seinen planetarischen Effekten ermöglichen. Das Wohnen bzw. der häusliche oikos wird so eher in Richtung auf die Ökonomie und weniger in Richtung auf Ökologie expliziert.

Zu diesen ökonomischen Implikationen aktueller „intelligenter“ Wohnprojekte hat Sloterdijks plurale Sphärologie wenig zu sagen. Gleichwohl ist es durchaus verblüffend, wie anschlussfähig die Schaumtheorie an bestimmte Aspekte der neoliberalen Markttheorie ist. Mit Rückgriff auf die Terminologie Sloterdijks lassen sich Märkte als Schäume beschreiben, deren basale Elemente – die Geldmonaden – miteinander über das Preissystem verbunden sind, aber ansonsten isoliert voneinander bleiben können. Die Ko-Isolation wird hier über Marktmechanismen gewährleistet. Es wäre verfehlt, Sloterdijk deswegen als neoliberal abzuqualifizieren. Dennoch verweist die Nähe des Marktdenkens und der pluralen Sphärologie doch auf einen kritischen Punkt in Sloterdijks Sphärendenken. Es fällt ihm offenbar schwer, die Kollektivität von pluralen Schäumen jenseits von Ko-Isolation auch als ein Projekt des Gemeinsamen zu verstehen. Das wird vor allem sichtbar, wenn man Sloterdijks plurale Sphärologie mit jüngeren Debatten um „Kosmopolitik“ ins Gespräch bringt.

4.5 Von der Ko-Isolation zu commons

Sloterdijks plurale Sphärologie bietet durchaus ein Modell für die Theoretisierung multiskalarer Umweltpolitiken der Gegenwart. Die Kommandobrücke des Raumschiffs Erde ist leer. Die Regierungsverantwortung ist dezentralisiert und verteilt sich über einen Schaum pluraler Wohnvielheiten. Die infrastrukturellen Rückkopplungen zwischen Wohnraum und planetarischem Weltinnenraum lassen die Grenzen zwischen Mikro- und Makroscales kollabieren, da jede Wohnmonade nun die Umwelt informatorisch in sich hineinholt. Jede noch so mundane Haushaltstätigkeit bekommt eine unmittelbar ökologische Dimension, insofern sie als carbon footprint lesbar gemacht wird, bzw. eine ökonomische Dimension, insofern sie auf Preissignale reagiert.

Aktuell ist dabei keineswegs klar, welche Ausprägung das grüne smart home annehmen wird: wird es eher einer ökologischen Verantwortungsethik den Weg ebnen oder in ein neoliberales Regierungsprogramm der Marktoptimierung eingeschrieben? Smart homes sind Experimentierfelder, in denen es nicht nur um innovative technische Designs geht, sondern auch um die Erprobung neuer Lebensstile und Sozialitätsformen. Genau diese Offenheit macht politische Experimente mit grünen smart homes auch analytisch so interessant. Denn auch wenn man davon ausgeht, dass die Verschränkung von Umwelt und Wohnwelt einer multiskalaren ökologischen Governance den Weg bereitet, ist keineswegs ausgemacht, was Dezentralität, Heterarchie und Multiskalarität politisch bedeuten. Während es dem Bundeswirtschaftsministerium aktuell vor allem um dezentrale Marktsteuerung geht, gibt es längst Experimente mit erneuerbaren Energien, digitalen Technologien und ökologischem Wohnen, die eine andere Stoßrichtung verfolgen. So standen etwa in der radikalen Anti-Atom- und antikapitalistischen Ökobewegung ganz andere Ziele im Vordergrund als die Etablierung eines möglichst effizienten dezentralen Marktes. Dezentrale Stromerzeugung versprach hier die Emanzipation von zentralen, vertikal integrierten Versorgungsunternehmen und den Institutionen des „Atomstaats“ (Jungk, 1977), die diese stützten. Auch wenn die Visionen der Vordenker_innen erneuerbarer Energien bisweilen von neuen Formen des „distributed capitalism“ (Rifkin, 2011:103) kooptiert wurden, lässt sich doch immer noch eine ganze Reihe vielversprechender Experimente mit erneuerbaren Energien finden, bei denen die Reproduktion sozialer, technischer und ökologischer commons im Zentrum steht. So verweist etwa das feministisch-geographische Autorinnenkollektiv Gibson-Graham auf lokale Initiativen für Solarenergie in Australien und bemerkt, dass die alltägliche Interaktion mit technischen Devices im Haushalt diesen Initiativen das Erlernen neuartiger Formen verteilter Handlungsfähigkeit „with both human and nonhuman others“ ermöglicht und so ein Aushandeln unseres „being-in-common in ways that enhance well-being for all“ (Gibson-Graham, 2014:92) im Wohnalltag erlaubt.

Diese Projekte deuten zugleich an, wie Schäume als Kollektivprojekt verstanden werden könnten, wie es möglich ist, Kosmopolitik jenseits der von Sloterdijk diagnostizierten Ko-Isolation als ein Projekt des Gemeinsamen zu verstehen. Hier hat Sloterdijk selbst nicht viel beizutragen. Für ihn scheint der Bezug auf ein kosmopolitisches common immer auf ein naives Festhalten an einem ganzheitlichen Welthorizont hinauszulaufen, der charakteristisch für das metaphysische Globalitätsdenken der alten Moderne war. Die Ideologie der Einen Welt, die aus der Einzigartigkeit des gefährdeten Planeten auf die Notwendigkeit einer gemeinsamen, globalen Umweltpolitik schließt, ist dann nur die jüngste Ausprägung des „Monogeismus“ (Sloterdijk, 2005a:16). Globale Umweltpolitik, wie sie mittlerweile auf Weltklimakonfrenzen diskutiert wird, würde aus dieser Perspektive das liberale, universalistische Modell des Kosmopolitismus fortsetzten, das sich vom telos einer vereinigten Menschheit leiten lässt (Kant, 1968). Gleichwohl ist nicht jedes kosmopolitische Projekt, das sich auf etwas Gemeinsames bezieht, zwangsläufig auf diese Weise vereinheitlichend. Donna Haraway, Bruno Latour und Isabell Stengers setzen der vereinheitlichenden Kosmopolitik, die von einem common ground ausgeht der immer schon den Horizont des Gemeinsamen absteckt, eine kompositionistische Kosmopolitik entgegen. Betont wird hier, dass der gemeinsame Kosmos immer erst noch komponiert werden muss. Die Frage ist nicht, was die gemeinsame Welt ist, sondern was sie werden könnte: „how to compose the common world“ (Latour, 2014:306)? „Bei dem Ausdruck ‚kosmopolitisch‘ bezieht sich der Kosmos auf das Unbekannte, das von [...] vielfältigen, divergierenden Welten gebildet wird“ (Stengers, 2008:158). Dabei ist die Komposition hier weniger der Akt eines souveränen Komponisten, sondern ähnelt mehr dem spontanen Effekt des Komposthaufens. Kommende kosmopolitische Gemeinschaften sind daher „communities of compost“ (Haraway, 2016:138), also immer auch Gemeinschaften mit einer komplex geschichteten Geschichte und einem schwierigen Erbe. Das intelligente und ökologische Wohnen figuriert gegenwärtig zumeist als Innovation an der äußersten Spitze der technologischen Fortschrittsfront. Wenn man sich aber klarmacht, auf welche Probleme die grünen smart homes reagieren, dann gleichen sie weniger einem Raumschiff, sondern vielmehr einem Wohnen in Ruinen, das versucht, das Leben auf dem beschädigten Planeten zu erhalten.

5 Fazit

In diesem Text haben wir die Verschränkung von Wohnwelt und Umwelt aus der Perspektive von Peter Sloterdijks pluraler Sphärologie in den Blick genommen. Zunächst haben wir Sloterdijks Theorie der Umwelt und seine Theorie des Wohnens rekonstruiert. Sloterdijk skizziert darin eine Geschichte der Umwelt bzw. des Wohnens als Prozess fortschreitender Explikation des zuvor impliziten Umwelt- bzw. Wohnhintergrunds. Im nächsten Schritt haben wir beide Stränge von Sloterdijks Theorie aufeinander bezogen und gezeigt, wie sich Wohnwelt und Umwelt in der Gegenwart verschränken. Durch digitale Messgeräte wird in grünen smart homes der planetarische Umwelthorizont in die Wohnsphäre eingebracht, ohne dass die schützend-immunisierende Funktion der Wohnung – ihre Isolation von der Umwelt – aufgegeben werden müsste. Das Wohnen bekommt damit eine multiskalare Dimension, weil es nicht nur als Praxis in den „eigenen vier Wänden“, sondern auch von seinen Effekten im planetarischen Maßstab her erfahrbar wird. Durch seine ökologische Explikation ist das Wohnen aber auch Teil eines umwelt- und energiepolitischen Regierungsprogramms geworden. Durch eine kritische Erweiterung der Denkfiguren aus Sloterdijks pluraler Sphärologie mit Ansätzen aus den governmentality studies und der ANT haben wir gezeigt, wie das Wohnen so zum Schnittfeld unterschiedlicher, teils divergierender gesellschaftlicher Erwartungen wird. Im grünen smart home kann eine ökologische Verantwortungsethik materialisiert werden, es kann als gouvernementale Responsibilisierungsarchitektur in Stellung gebracht werden und schließlich kann es auch Teil eines neoliberalen Marktprojekts werden. Welche Ausrichtung das smart home in der Umweltpolitik und im Wohnalltag der Zukunft tatsächlich bekommt, ob es vornehmlich zum Macht-, Moral- oder Marktprojekt wird, steht dabei aktuell noch keineswegs fest. Die technischen Möglichkeiten des smart homes eröffnen einen Optionsraum, der gesellschaftlich auf ganz unterschiedliche Weise realisiert werden kann. Deshalb haben wir im letzten Teil des Aufsatzes mit Bezug auf Debatten um eine neue ökologische Kosmopolitik und gegen Sloterdijks Beharren auf der Ko-Isolation der Blasen in Schaumkollektiven betont, dass sich das grüne smart home auch in Politiken des Gemeinsamen einfügen lässt, die weniger von einem bereits bestehenden common ground, sondern von der Notwendigkeit eine gemeinsame Welt zu komponieren, ausgehen.

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Interessenkonflikt

Die Autoren erklären, dass kein Interessenkonflikt besteht.

Danksagung

Für hilfreiche Anregungen und Kritik zu unterschiedlichen Versionen des Manuskripts danken wir den Herausgebern des Sonderhefts Tobias Boos und Simon Runkel, den drei anonymen Gutachter_innen sowie Benedikt Korf.

Edited by: Benedikt Korf
Reviewed by: three anonymous referees

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1

Eine phänomenologisch inspirierte Auseinandersetzung mit Wohnen findet in der deutschsprachigen Humangeographie bislang nur vereinzelt statt (für Ausnahmen siehe Hasse, 2015; Marquardt, 2015; Stock, 2009). In der französischsprachigen Humangeographie wird dem Wohnen hingegen weitaus mehr Beachtung geschenkt (für einen aktuellen Überblick vgl. die Beiträge in Frelat-Kahn und Lazarotti, 2012). Auch in der anglophonen geographischen Wohnforschung finden sich in den letzten Jahren vermehrt Bezüge auf die Phänomenologie und auf Heideggers Begriff des Wohnens (siehe u.a. Blunt und Dowling, 2006; McFarlane, 2011; Rose, 2012).

2

Sloterdijk unterscheidet zwischen drei Phasen der Globalisierung: der kosmischen (in der Antike), der terrestrischen (von 1492–1945) und der telekommunikativen (Gegenwart) (Sloterdijk, 2005a:11–29).

3

Ähnlich wie Sloterdijk haben auch Latour (2013) sowie Deleuze und Guattari (1997:423–479; siehe dazu auch Folkers, 2017a) die Notwendigkeit zur Pluralisierung des Umweltdenkens in Anschluss an und Erweiterung von Uexküll betont.

4

Zur Kritik an der Vorstellung von „einer Welt“ siehe auch Law (2015).

5

Simon Runkel (2017) hat überzeugend argumentiert, dass Sloterdijk hier besonders von Tardes Neo-Monadologie beeinflusst ist, die es im Gegensatz zur Monadologie bei Leibniz zulässt, dass sich Monaden verschränken bzw. „verschäumen“ können.

6

Eine Auseinandersetzung mit Sloterdijks Theorie des Wohnens hat in der bisherigen Rezeption der Sphärentrilogie kaum stattgefunden, obwohl Sloterdijk selbst demThema eine Schlüsselstellung einräumt. So sind zwar für das von Stuart Elden und Eduardo Mendieta (2009) herausgegebene Themenheft „The Worlds of Peter Sloterdijk“ in der Zeitschrift Society and Space eigens die Ausführungen Sloterdijks zur Bedeutung kartographischer Repräsentationen der Erde für die Idee der Globalisierung (Sloterdijk und Butler, 2009) oder zur Besonderheit des modernen Gaskriegs (Sloterdijk, 2009b) ins Englische übersetzt worden, nach dem Thema Wohnen aber sucht man im Themenheft vergeblich. Zudem gibt es zwar eine ausführliche Beschäftigung mit Sloterdijks Architekturtheorie (Borch, 2008; Skrydstrup, 2016), aber auch hier geht es eher ums Bauen, Entwerfen und Planen als um die Existenzweisen des Wohnens.

7

Sloterdijk folgt der phänomenologischen Tradition, insofern er Wohnen als existenzielle Seinsweise des Menschen begreift. Wohnen verweist dieser Deutung folgend nicht nur auf den Aufenthalt an einem Standort oder auf eine Tätigkeit unter vielen (schwimmen, lesen, wohnen etc.), sondern benennt die grundlegende Weise, wie wir als Menschen „auf der Erde sind“ (Heidegger, 1954:141). Diese philosophische Bestimmung sensibilisiert für die existenzielle Bedeutung des Wohnens und zeigt auf, dass Wohnen sich nicht nur an einem Ort, sondern auch im Raum vollzieht und sich nicht auf den Raum der Wohnung beschränkt. Sloterdijks historische Analyse hingegen bezieht sich vor allem auf den Wohnraum, dessen architektonische Gestaltung und Rolle für gesellschaftliche Wohnverhältnisse. Damit fokussiert Sloterdijk auf einen Aspekt des umfassenderen Themas Wohnen, der für unsere Auseinandersetzung mit grünen smart homes äußerst anschlussfähig ist, denn der Rekurs auf den Wohnraum unterstreicht das Interesse an der materiellen Gestaltung des Wohnens sowie an den sozio-technischen Interaktionen und Infrastrukturen, die den Wohnraum prägen und gleichzeitig über ihn hinausweisen, indem sie ihn mit der Umwelt in Beziehung setzen.

8

Der hier von Sloterdijk thematisierte Zusammenhang von Wohnen und Mobilität findet auch in der sozialwissenschaftlichen Wohnforschung zunehmend Aufmerksamkeit. So sind etwa in der deutschsprachigen Geographie in den letzten Jahren im Zuge der Auseinandersetzung mit spätmodernen Lebensstilen und gegenwärtigen Migrations- und Mobilitätsphänomenen eine Reihe von Arbeiten entstanden, die Multilokalität theoretisieren und trans- und multilokale Wohnarrangements und ein „polytopisches“ Wohnen empirisch in den Blick nehmen (siehe u.a. Hilti, 2013; Schier, 2014; Stock, 2009).

9

Sloterdijks Blick auf die Wohnung als sozio-technische Welt macht die gemeinhin mit dem Wohnraum assoziierten Trennungen zwischen Gesellschaft, Umwelt und Technik (Kaika, 2004) hinterfragbar. Mit seiner techniksensiblen Perspektive auf das Wohnen ist Sloterdijk anschlussfähig an sozialwissenschaftliche Analysen des Zusammenhangs von Wohnraum und Technik, die seit einigen Jahren im Schnittfeld von gender studies, Medienwissenschaften und ANT entstehen (siehe z.B. Hand und Shove, 2007; Longhurst, 2013; Morley, 2003). Eine Auseinandersetzung mit aktuellen Phänomenen der Digitalisierung und deren Auswirkungen auf das Wohnen steht allerdings auch hier noch weitgehend aus.

10

Deutlicher als Sloterdijk, der sich nicht eingehend mit sozialwissenschaftlichen Maßstabsdebatten beschäftigt hat, betont Latour im Anschluss an Tarde die Implikationen des monadologischen Denkens für eine Revision der Unterscheidung von Mikro und Makro, Ganzem und Teil (Latour et al., 2012).

11

Nudges sind Instrumente der Verhaltensintervention, in denen sich verhaltensökonomische und psychologische Annahmen über den Zusammenhang von Kontext und menschlichem Entscheidungsverhalten verbinden (Thaler und Sunstein, 2008). Durch die Gestaltung situativer „Entscheidungsarchitekturen“ (choice architectures) mithilfe von nudges soll das Verhalten subtil in eine bestimmte, z.B. ökologische oder sparsame Richtung gelenkt werden, ohne dabei andere Verhaltensoptionen und damit die individuelle Entscheidungsfreiheit einzuschränken. Smart homes sind voller solcher nudges und können insofern auch als Reallabore einer verhaltenswissenschaftlich informierten Gestaltung von Wohnräumen als „Entscheidungsarchitekturen“ verstanden werden.

12

Der Rückgriff auf verhaltenswissenschaftliche Ansätze im umweltpolitischen Kontext und der Einsatz von nudges zum Anstoß nachhaltiger Verhaltensmuster hat in den letzten Jahren erheblich an Bedeutung gewonnen. Einen Überblick über den Stand der anwendungsorientierten Diskussion sowie verschiedene „best practice“-Technologien gibt ein aktueller Bericht des Umweltbundesamtes (2017).

13

Dabei erlangen die beteiligten Akteure und Aktanten diese Fähigkeit erst durch einen Prozess gemeinsamen Werdens: „Responsibility is a relationship crafted in intra-action through which entities, subjects and objects, come into being“ (Haraway, 2008:71).

14

Viele Theorien des Wohnens weisen dem Wohnraum diesen schonenden, entlastenden Charakter zu. Die feministische Wohnforschung erhebt dagegen allerdings schon lange den Einspruch, dass das Wohnen immer auch Schauplatz gesellschaftlicher Machtverhältnisse ist und der Wohnraum noch nie ein Raum war, der allen Gesellschaftmitgliedern gleichermaßen als Ort der Erholung und sichere Rückzugsmöglichkeit von gesellschaftlichen Zumutungen zur Verfügung steht (vgl. die Beiträge in Blunt und Dowling, 2006).